Die Insulintherapie bei Typ 2 Diabetes mellitus ist ein wichtiger Schritt in der Behandlung. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für den Beginn dieser Therapie? In diesem Beitrag werden die entscheidenden Indikationen für den Beginn einer Insulintherapie erläutert und Dosierungsbeispiele für unterschiedliche Patientenprofile gegeben.
Indikationen für den Beginn einer Insulintherapie
Der Beginn einer Insulintherapie wird in Erwägung gezogen, wenn eine oder mehrere der folgenden Indikationen vorliegen:
- Plötzliche oder schleichende Verschlechterung der Blutzuckerwerte: Insbesondere wenn der Nüchternblutzucker (BZ) morgens über 10 mM oder der HbA1c-Wert über 8% liegt, obwohl bereits andere orale Antidiabetika (OAD) eingenommen werden, oder wenn der HbA1c-Wert sogar über 10% steigt, ist eine Insulintherapie oft angezeigt
- Wenn 1.+ BMI nicht höher als 25 kg/m² und keine Insulinresistenz: Dies betrifft Patienten mit normalem Abdomenumfang und schlanke PatientInnen ohne „Bäuchlein“.
- Wenn 1.+Gewichtsabnahme: Wenn PatientInnen ungewollt an Gewicht verlieren, kann dies ein Anzeichen für einen Insulinmangel sein.
- Wenn 1.+Ketonurie: Das Vorhandensein von Keton im Urin ist ein deutliches Zeichen für einen gestörten Stoffwechsel und kann den Beginn einer Insulintherapie erforderlich machen.
Alternativen bei Insulinresistenz und Gewichtszunahme
Vorallem in Fällen von Typ 2 Diabetes mellitus mit Insulinresistenz und einem HbA1c-Wert von über 8%, begleitet von Gewichtszunahme, kann eine Alternative zur Insulintherapie in Erwägung gezogen werden. Hierbei können SGLT2-Inhibitoren und GLP1-Rezeptoragonisten eine sofortige Wirkung entfalten. Beachten Sie jedoch, dass Metformin erst nach 2-4 Wochen eine Wirkung, aber schwächer, zeigt.
Falls der HbA1c-Wert über 10% liegt, empfiehlt es sich, PatientInnen an eine Diabetesberatung oder eine EndokrinologIn zu überweisen.
Beginn einer Therapie mit Basalinsulin oder Basis/Bolus
Die Wahl von Basalinsulin und evtl. auch Basis/Bolus hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Basalinsulin: Die Dosierung richtet sich nach Gewicht, Höhe der BZ Werte, vermutete Insulinresistenz und der zugrunde liegenden Ursache der Blutzuckererhöhung
- Bolusinsulin: Wenn der Blutzucker besonders hoch ist oder bleibt oder wenn er nur zu bestimmten Tageszeiten stark ansteigt, kann Bolusinsulin zusätzlich zum Basalinsulin erforderlich sein. Bolusinsulin (=Insulin zum Essen) gibt man selten ohne Basalinsulin.
- Nachspritzschema (Korrekturinsulin unabhängig vom Essen): Dies wird je nach Blutzuckerwert und dem sonstigen Insulinbedarf individuell festgelegt. Eine Faustregel besagt, dass 1 Einheit kurzwirksames Insulin den Blutzucker um 1-3 mM/l senken kann, mit einem Zielwert von 6 mM/L.
Bitte beachten Sie, dass das Nachspritzschema meist dann angewendet wird, wenn der Patient bereits Basalinsulin erhält.
Dosierungsbeispiele
Beispiel A
• Patient: 80 kg, BMI 25 kg/m²
• BZ Tagesprofil (Mo/Mi/Ab/Bedtime): 9/12/13/10 mM/l (Durchschnittlich 11 mM/l)
• HbA1c: 8.5%
In diesem Fall liegt keine Insulinresistenz vor, der Patient ist nicht übergewichtig, und es gibt keine Hinweise auf eine Insulinresistenz. Meist misst man dann auch Auto Antikörper und sucht auch sekundären Ursachen (z.B. Hämochromatose, Dysthyreose, Phäochromozytom, Cushing Syndrom, Pankreatitis).
Hier kann mit einer Basalinsulintherapie begonnen werden.
Zum Beispiel 10 Einheiten Toujeo (0.1-0.15E/kg Körpergewicht) starten und alle 3 Tage um 2 Einheiten erhöhen, bis der Nüchternblutzuckerwert unter 8 mM/l liegt (maximal 0.25E/kg Körpergewicht bis zum nächsten Arzttermin).
Es ist wichtig, zu beachten, dass PatientInnen mit einem BMI unter 27 kg/m² frühzeitig an SpezialistInnen überwiesen werden sollten, da in solchen Fällen auch die Möglichkeit von sekundären Ursachen eines Diabetes oder LADA (Late Autoimmune Diabetes in Adults) oder sogar Typ 1 Diabetes in Betracht gezogen werden sollte, insbesondere wenn Gewichtsabnahme und Ketonurie mit hohem BZ im Fokus stehen.
Beispiel B
• Patient: 100 kg, BMI 32 kg/m²
• GLP1 und Metformin werden bereits eingenommen
• HbA1c: 8.5%
In diesem Fall, wenn Insulinresistenz und Gewichtszunahme vorliegen, sollten SGLT2-Inhibitoren in Betracht gezogen werden. Falls diese nicht ausreichend wirksam sind, kann eine Basalinsulintherapie begonnen werden. Die Dosierung sollte etwa 20% des Körpergewichts betragen.
Es ist wichtig zu beachten, dass Basalinsulin schrittweise erhöht werden sollte, bis es maximal etwa 50% des Körpergewichts (50E bei 100kg) erreicht. Danach kann eine Basis mit Bolus-Therapie in Erwägung gezogen werden. Falls lediglich eine morgendliche Dosis vom Bolus präprandial erforderlich ist (bei ausdosiertem Basalinsulin), kann diese mit ca. einem sechstel der Basisdosis als Bolus am Morgen festgelegt werden (also etwa 8E wenn 50E Basis gegeben werden), wenn der Durchschnittsblutzuckerwert weiterhin über 10 mM/l liegt (entsprechend HbA1c > 8%) und die BZ Werte nach dem Frühstück mittags immer noch bei 10mM/l liegen.
Bemerkungen
• Alle oralen Antidiabetika sollten bei der Therapie mit Basalinsulin (ohne Bolus) beibehalten werden.
• Die Anwendung flexibler Bolusinsulin-Dosierungen erfordert Erfahrung und die Unterstützung einer DiabetologIn oder DiabetesberaterIn.
• Bei Basis und Bolus (CAVE Limitatio mit GLP1 Rez Agonist; erfordert Kostengutsprache durch SpezialistIn) werden nur SGLT2 Hemmer und Metformin belassen, die anderen (Sulfonylharnstoff oder Gliptin) werden in der Regel gestoppt.

Anmerkung: Weitere gute Erklärungen für den Beginn einer Insulintherapie finden sich auch im Pocket Guide «Endo-Diab-Net»